II. Teil – Abwerben von Kunden und Mitarbeitern
Ist das Abwerben erlaubt oder darf es vom Arbeitgeber verboten werden?
Im Arbeitsalltag taucht oft die Frage des Abwerbeverbots auf – sei dies während oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Natürlich hat der Arbeitgeber diesbezüglich kein Interesse, sowohl gute Mitarbeiter*innen als auch seinen Kundenstamm zu verlieren. Der oder die ausscheidende Mitarbeiter*in jedoch möchte auf der anderen Seite seine/ihre Existenzgrundlage sichern, als auch sein/ihr berufliches Fortkommen uneingeschränkt entfalten können. Entweder weil beim neuen Arbeitgeber dieselbe Tätigkeit ausgeführt oder im entsprechenden Tätigkeitsfeld die Selbständigkeit angestrebt wird.
Dies führt nicht nur zu vielen Fragen bezüglich Konkurrenzverbot (hierzu mehr im I. Teil „Arbeit und Konkurrenzverbot“), sondern auch der vertraglichen Vereinbarung eines Abwerbeverbots.
Gesetzliche Grundlagen
Wie beim Konkurrenzverbot fehlt es auch beim Abwerbeverbot an einer spezifisichen Gesetzesnorm, welche es dem oder der Arbeitnehmer*in verbietet, während und nach Ende des Arbeitsverhältnisses Kunden oder Mitarbeiter abzuwerben. Dieses Verbot leitet sich aus der während des Arbeitsverhältnisses geschuldeten Treuepflicht ab (Art. 321a Abs. 1 OR), nach welcher der oder die Arbeitnehmer*in die berechtigten Interessen des Arbeitgebers „in guten Treuen“ zu wahren hat. Dies stellt somit eine Unterlassungspflicht dar, d.h. der oder die Arbeitnehmer*in darf nichts unternehmen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich in irgendeiner Weise schädigen könnte.
Die Treuepflicht während des Arbeitsverhältnisses verbietet das Abwerben.
Diese Unterlassungspflicht erlischt grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der oder die Arbeitnehmer*in kann somit nach Ende des Arbeitsverhältnisses sowohl Mitarbeiter als auch Kunden abwerben, sofern
- keine Abwerbeverbotsvereinbarung vorliegt,
- nicht gegen Bestimmungen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG),
- sowie das Strafgesetzbuch (StGB) verstossen wird.
Die beiden letztgenannten Gesetze regeln besondere Tatbestände im Zusammenhang mit der Abwerbung, wie z.B. das Verleiten der Kunden zum Vertragsbruch, den Einsatz aggressiver Werbemethoden oder eine Herabsetzung des alten Arbeitgebers gegenüber den Kunden.
Abwerbung während der Kündigungsfrist oder Freistellung
Auch während der Kündigungsfrist und selbst bei einer Freistellung gilt für den oder die Arbeitnehmer*in das Abwerbeverbot, da die Treuepflicht wie erwähnt erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt.
Abwerbehandlungen
Die Aktionen des oder der Arbeitnehmers*in, sollte er oder sie denn Kunden abwerben wollen, wären natürlich so geschickt als möglich, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Beispielsweise genügt es, den oder die Kundin über den bevorstehenden Stellenwechsel zu informieren, insbesondere sollte mit dem oder der Kundin eine enge und auch „persönliche“ Beziehung bestehen. Eine solche reine Information wird nicht als Abwerbehandlung angesehen (siehe auch nachstehend). Denn grundsätzlich gelten als eigentliche Abwerbehandlungen,
- die aktive Einflussnahme, um das Vertragsverhältnis mit dem Arbeitgeber zu lösen und mit dem künftigen Arbeitgeber einen neuen Vertrag zu begründen;
- Informationen und Anpreisung der Dienstleistung (z.B. bessere Konditionen) des neuen Arbeitgebers.
Mitteilung des Stellenwechsels
Es stellt sich jedoch die Frage, welche Informationen der oder die Arbeitnehmer*in Arbeitskollegen*innen und Kunden überhaupt weitergeben darf, ohne dabei die Treuepflicht zu verletzen. Haben die Parteien keine anderslautende Vereinbarung getroffen oder liegt keine ausdrückliche anderslautende Arbeitgeberweisung vor, so kann der oder die Arbeitnehmer*in grundsätzlich die von ihm/ihr persönlich betreuten Kunden über das Ausscheiden informieren und – nur auf deren Nachfragen – den Namen des neuen Arbeitgebers preisgeben resp. die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit.
In keinem Fall jedoch darf aktive Kundenabwerbung (siehe oben) während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses betrieben werden.
Selbständige Erwerbstätigkeit
Dem oder der Arbeitnehmer*in ist es grundsätzlich erlaubt, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf eine selbständige Erwerbstätigkeit durchzuführen. Als Vorbereitungshandlungen gelten beispielsweise die Gründung des Unternehmens, Suche nach geeignetem Personal usw., sofern dabei weder Kunden noch Mitarbeiter abgeworben werden.
Abwerbung selbst eingebrachter Kunden
Oft bringen Arbeitnehmer*innen bei einem Stellenwechsel auch Kunden unentgeltlich beim neuen Arbeitgeber ein. So liegt es auf der Hand, dass – basierend auf dem besonders engen (Vertrauens-)Verhältnis – diese Kunden ihrem oder ihrer Berater*in i.d.R. auch bei einem erneuten Stellenwechsel oder Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit wieder folgen. Liegt nun in einem solchen Fall ebenfalls ein unzulässiges Abwerbeverbot des oder der Mitarbeiters*in vor?
Eingebrachte Kunden können i.d.R. wieder mitgenommen werden.
Hier hat das Kantonsgericht St. Gallen das Vorliegen einer Treuepflichtsverletzung durch den oder die ausscheidenden Arbeitnehmer*in verneint. Der oder die Arbeitnehmer*in hätte einerseits nur Mandanten abgeworben, welche bereits bei Stelleneintritt unentgeltlich eingebracht wurden und andererseits seien dem Arbeitgeber keine Kosten, weder beim Aufbau des Mandantenstamms noch im Zuge einer Abgeltung für die Einbringung, entstanden. Insbesondere liege keine Treuepflichtverletzung vor, wenn der oder die Arbeitnehmer*in zwei Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses begann diese Kunden weiter/wieder für sich zu gewinnen.
Abwerbeverbotsvereinbarung
Analog dem Konkurrenzverbot kann ein Abwerbeverbot auch schriftlich vereinbart werden, das auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gültigkeit hat. In der Regel wird eine solche Vereinbarung verbunden mit einer Konventionalstrafe und kann verschiedene Verbote beinhalten. Wird jedoch eine solche Abwerbeverbotsklausel zwischen den Parteien vereinbart, so gelten diesbezüglich dieselben Voraussetzungen wie beim Konkurrenzverbot im Hinblick auf die Einschränkung und das Erschweren des beruflichen Fortkommens.
Fazit
Eine Treuepflichtverletzung durch den oder die Arbeitnehmer*in kann teils schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, wie die fristlose Entlassung, Schadenersatzforderung durch den Arbeitgeber bis zu Freiheitsstrafe. In der Praxis kann der Nachweis indes manchmal schwierig sein, ob es sich um ein echtes Abwerben oder lediglich die Information des Kunden gehandelt hat und ob die Handlungen noch während des Arbeitsverhältnisses stattgefunden haben oder erst danach. Bei letzterem – so das Bundesgericht – spiele vor allem die Reihenfolge der Ereignisse eine entscheidende Rolle.
Lilian Kokalis
I. Teil „Arbeit und Konkurrenzverbot“ hier
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